PAG

Polizeiaufgabengesetz

Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Polizei

Vom 14.9.1990

Zuletzt geändert am 23.7.2024

Art. 49

Schutz von Berufsgeheimnisträgern und des Kernbereichs privater Lebensgestaltung

(1) Ist oder wird bei folgenden Maßnahmen erkennbar, dass in ein durch ein Berufsgeheimnis nach den §§ 53, 53a StPO geschütztes Vertrauensverhältnis eingegriffen wird, ist die Datenerhebung insoweit unzulässig, es sei denn, die Maßnahme richtet sich gegen den Berufsgeheimnisträger selbst:

1. offene Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen in Wohnungen nach Art. 33 Abs. 4 Satz 3,
2. Postsicherstellung nach Art. 35 Abs. 1,
3. längerfristige Observation, Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen oder Abhören oder Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes nach Art. 36 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 Buchst. a, Buchst. d oder Buchst. e, Abs. 2,
4. Eingriffe in den Telekommunikationsbereich nach Art. 42 Abs. 1,
5. Abruf von Telekommunikationsverkehrsdaten nach Art. 43 Abs. 2 Satz 3 oder
6. verdeckter Zugriff auf informationstechnische Systeme nach Art. 45 Abs. 1.
2Eine bereits laufende Datenerhebung ist unverzüglich und solange erforderlich zu unterbrechen oder zu beenden. 3Dennoch erlangte Erkenntnisse dürfen nicht weiter verarbeitet werden. 4Art. 41 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 sowie Art. 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bleiben unberührt.

(2) Ist oder wird bei folgenden Maßnahmen erkennbar, dass dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnende Daten (Kernbereichsdaten) betroffen sind und bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Daten dazu dienen sollen, ein Erhebungsverbot herbeizuführen, ist die Datenerhebung unzulässig:

1. offene Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen in Wohnungen nach Art. 33 Abs. 4 Satz 3,
2. Postsicherstellung nach Art. 35 Abs. 1,
3. längerfristige Observation, Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen oder Abhören oder Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes nach Art. 36 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 Buchst. a, Buchst. d oder Buchst. e, Abs. 2,
4. Einsatz Verdeckter Ermittler nach Art. 37 Abs. 1,
5. Einsatz von Vertrauenspersonen nach Art. 38 Abs. 1,
6. Einsatz technischer Mittel in Wohnungen nach Art. 41 Abs. 1,
7. Eingriffe in den Telekommunikationsbereich nach Art. 42 Abs. 1 oder
8. verdeckter Zugriff auf informationstechnische Systeme nach Art. 45 Abs. 1.
Eine bereits laufende Datenerhebung ist
1. bei den in Satz 1 Nr. 4 und 5 genannten Maßnahmen sobald dies ohne Gefahr für Leib oder Leben oder konkrete Gefährdung einer weiteren Verwendung der eingesetzten Personen möglich ist,
2. bei den übrigen in Satz 1 genannten Maßnahmen unverzüglich und solange erforderlich zu unterbrechen oder zu beenden.
3Nach einer Unterbrechung darf die Datenerhebung nur fortgesetzt werden, wenn aufgrund geänderter Umstände davon ausgegangen werden kann, dass Gründe, die zur Unterbrechung führen, nicht mehr vorliegen. 4Eine Fortsetzung, Unterbrechung oder Beendigung sowie ein Absehen von der Unterbrechung oder Beendigung sind samt den hierfür tragenden Gründen zu dokumentieren. 5Dennoch erlangte Kernbereichsdaten dürfen nicht weiter verarbeitet werden. 6Art. 41 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt. 7Vor Durchführung der in Satz 1 Nr. 4, 5 und 8 genannten Maßnahmen hat die Polizei unter Berücksichtigung der informations- und ermittlungstechnischen Möglichkeiten sicherzustellen, dass die Erhebung von Kernbereichsdaten unterbleibt, es sei denn, dass dies mit einem trotz des Gewichts des Eingriffs unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre. 8Können im Fall des Satzes 1 Nr. 8 Kernbereichsdaten vor oder bei der Datenerhebung nicht ausgesondert werden, darf auf das informationstechnische System auch dann zugegriffen werden, wenn hierbei eine Wahrscheinlichkeit besteht, dass dabei in untergeordnetem Umfang Kernbereichsdaten miterfasst werden.

(3) Werden bei Maßnahmen der elektronischen Aufenthaltsüberwachung nach Art. 34 Daten im Sinn von Art. 34 Abs. 2 Satz 2 erhoben, dürfen diese nicht verarbeitet werden.

(4) Ergibt sich bei der Auswertung von Daten, die durch die nachfolgend benannten Maßnahmen erhoben wurden, dass sie Inhalte betreffen, über die das Zeugnis nach den §§ 53, 53a StPO verweigert werden könnte, dass sie einem Vertrauensverhältnis mit anderen Berufsgeheimnisträgern zuzuordnen sind oder dass es sich um Kernbereichsdaten handelt und die Daten keinen unmittelbaren Bezug zu den in der jeweiligen Befugnisnorm genannten Gefahren haben, dürfen diese nicht weiterverarbeitet werden:

1. Postsicherstellung nach Art. 35 Abs. 1,
2. Einsatz besonderer Mittel der Datenerhebung nach Art. 36 Abs. 2,
3. Einsatz Verdeckter Ermittler nach Art. 37 Abs. 1,
4. Einsatz von Vertrauenspersonen nach Art. 38 Abs. 1,
5. Einsatz technischer Mittel in Wohnungen nach Art. 41 Abs. 1 Satz 1, auch wenn dieser nach Art. 41 Abs. 6 als Personenschutzmaßnahme erfolgt ist,
6. Eingriffe in den Telekommunikationsbereich nach Art. 42 Abs. 1 und 3 oder Inanspruchnahme von Diensteanbietern nach Art. 43 Abs. 2 und 4 oder
7. verdeckter Zugriff auf informationstechnische Systeme nach Art. 45 Abs. 1 und 2.
2In den Fällen des Satzes 1 Nr. 3 und 4 sind die erlangten Erkenntnisse vor Weitergabe durch die eingesetzten Personen sowie deren polizeiliche Führungspersonen hinsichtlich Kernbereichsrelevanz zu überprüfen. 3Bestehen Zweifel hinsichtlich der Verwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse, trifft die Entscheidung hierüber die hierfür eingerichtete unabhängige Stelle.

(5) 1Daten, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind und nicht verarbeitet werden dürfen, sind unverzüglich zu löschen. Im Übrigen ist die Verarbeitung personenbezogener Daten, die durch die in Abs. 4 genannten Maßnahmen erlangt wurden und

1. die für eine nach Art. 48 Abs. 1 bis 4 zulässige Verarbeitung nicht erforderlich sind oder
2. für die ein Verbot der Weiterverarbeitung besteht, einzuschränken, wenn sie zum Zweck der Information der Betroffenen oder zur gerichtlichen Überprüfung der Erhebung oder Verwendung der Daten noch benötigt werden.
3Andernfalls sind die Daten unverzüglich zu löschen.

(6) 1Wurde der von einer Maßnahme Betroffene nach Art. 50 unterrichtet, sind Daten im Sinn des Abs. 5 Satz 2 zu löschen, wenn der Betroffene sich nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Benachrichtigung mit einem Rechtsbehelf gegen die Maßnahme gewendet hat. 2Auf die Frist ist in der Benachrichtigung hinzuweisen. 3Wurde ein Rechtsbehelf nach Satz 1 eingelegt, sind die Daten nach rechtskräftigem Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens zu löschen.

(7) Löschungen sind zu dokumentieren.