KapMuG

Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz

Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten

Vom 16.7.2024

Abschnitt 1
Musterverfahrensantrag; Vorlageverfahren

§ 1

Anwendungsbereich; Verhältnis zum Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz

(1) Dieses Gesetz ist anwendbar in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen einer der folgenden Ansprüche geltend gemacht wird:

1. ein Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation,
2. ein Schadensersatzanspruch wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist,
3. ein Erfüllungsanspruch aus einem Vertrag, der auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, einschließlich eines Anspruchs nach § 39 Absatz 3 Satz 3 und 4 des Börsengesetzes, beruht, oder
4. ein Schadensersatzanspruch nach Artikel 75 Absatz 8 der Verordnung (EU) 2023/1114 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 2023 über Märkte für Kryptowerte und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 1095/2010 sowie der Richtlinien 2013/36/EU und (EU) 2019/1937 (ABl. L 150 vom 9.6.2023, S. 40; L, 2024/90275, 2.5.2024), die durch die Verordnung (EU) 2023/2869 (ABl. L, 2023/2869, 20.12.2023) geändert worden ist.

(2) 1Öffentliche Kapitalmarktinformationen sind Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmt sind und einen Emittenten von Wertpapieren oder einen Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen. Dies sind insbesondere Angaben

1. in Prospekten nach der Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG (ABl. L 168 vom 30.6.2017, S. 12), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2023/2869 (ABl. L, 2023/2869, 20.12.2023) geändert worden ist,
2. in Wertpapier-Informationsblättern nach dem Wertpapierprospektgesetz und Informationsblättern nach dem Wertpapierhandelsgesetz,
3. in Verkaufsprospekten, Vermögensanlagen-Informationsblättern und wesentlichen Anlegerinformationen nach dem Verkaufsprospektgesetz, dem Vermögensanlagengesetz, dem Investmentgesetz in der bis einschließlich 21. Juli 2013 geltenden Fassung sowie dem Kapitalanlagegesetzbuch,
4. in Anlagebasisinformationsblättern nach der Verordnung (EU) 2020/1503 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Oktober 2020 über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister für Unternehmen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1129 und der Richtlinie (EU) 2019/1937 (ABl. L 347 vom 20.10.2020, S. 1), die durch die Delegierte Verordnung (EU) 2022/1988 (ABl. L 273 vom 21.10.2022, S. 3) geändert worden ist,
5. in Kryptowerte-Whitepapern nach der Verordnung (EU) 2023/1114,
6. in Mitteilungen über Insiderinformationen nach Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 1; L 287 vom 21.10.2016, S. 320; L 348 vom 21.12.2016, S. 83), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2023/2869 (ABl. L, 2023/2869, 20.12.2023) geändert worden ist, sowie nach § 26 des Wertpapierhandelsgesetzes,
7. in Darstellungen, Übersichten, Vorträgen und Auskünften in der Hauptversammlung über die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen im Sinne des § 400 Absatz 1 Nummer 1 des Aktiengesetzes,
8. in Jahresabschlüssen, Lageberichten, Konzernabschlüssen, Konzernlageberichten sowie Halbjahresfinanzberichten des Emittenten,
9. in auf den Emittenten oder Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen bezogenen Ratings nach der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 1; L 350 vom 29.12.2009, S. 59; L 145 vom 31.5.2011, S. 57), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2023/2869 (ABl. L, 2023/2869, 20.12.2023) geändert worden ist, sowie in Bestätigungsvermerken von Abschlussprüfern zu offenzulegenden Jahresabschlüssen und Konzernabschlüssen des Emittenten und
10. in Angebotsunterlagen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(3) 1Dieses Gesetz ist auf Verbandsklagen nach dem Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz nicht anzuwenden; § 18 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt. 2Der Zulässigkeit eines Musterverfahrens nach diesem Gesetz steht nicht entgegen, dass wegen desselben Lebenssachverhalts eine Verbandsklage rechtshängig ist.