Teil 3
Hebammenstudium und Vertrag zur akademischen Hebammenausbildung
Abschnitt 1
Studium
Unterabschnitt 1
Studienziel, Zugang, Dauer und Struktur sowie Akkreditierung von Studiengängen
§ 9
Studienziel
(1)
1Das Hebammenstudium vermittelt die fachlichen und personalen Kompetenzen, die für die selbständige und umfassende Hebammentätigkeit im stationären sowie im ambulanten Bereich erforderlich sind.
2Die Vermittlung erfolgt auf wissenschaftlicher Grundlage und nach wissenschaftlicher Methodik.
3Lebenslanges Lernen wird dabei als ein Prozess der eigenen beruflichen Biographie verstanden und die fortlaufende persönliche und fachliche Weiterentwicklung als notwendig anerkannt.
(2)
1Die Hebammentätigkeit erfolgt entsprechend dem allgemein anerkannten Stand hebammenwissenschaftlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse auf Grundlage einer Berufsethik.
2Die Hebamme beachtet die besonderen Belange von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen.
3Sie berücksichtigt die konkrete Lebenssituation, den sozialen, biographischen, kulturellen und religiösen Hintergrund, die sexuelle Orientierung sowie die Lebensphase der zu betreuenden Frauen und Familien.
4Sie unterstützt deren Selbständigkeit und achtet deren Recht auf Selbstbestimmung.
(3)
Das Hebammenstudium soll dazu befähigen,
1. hochkomplexe Betreuungsprozesse einschließlich Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung im Bereich der Hebammentätigkeit auf der Grundlage wissenschaftsbasierter und wissenschaftsorientierter Entscheidungen zu planen, zu steuern und zu gestalten,
2. sich Forschungsgebiete der Hebammenwissenschaft auf dem neuesten Stand der gesicherten Erkenntnisse erschließen und forschungsgestützte Problemlösungen wie auch neue Technologien in das berufliche Handeln übertragen zu können sowie berufsbezogene Fort- und Weiterbildungsbedarfe zu erkennen,
3. sich kritisch-reflexiv und analytisch sowohl mit theoretischem als auch praktischem Wissen auseinandersetzen und wissenschaftsbasiert innovative Lösungsansätze zur Verbesserung im eigenen beruflichen Handlungsfeld entwickeln und implementieren zu können und
4. an der Entwicklung von Qualitätsmanagementkonzepten, Risikomanagementkonzepten, Leitlinien und Expertenstandards mitzuwirken.
(4)
Das Hebammenstudium soll darüber hinaus insbesondere dazu befähigen,
1. die folgenden Aufgaben selbständig auszuführen:
a) eine Schwangerschaft festzustellen,
b) die physiologisch verlaufende Schwangerschaft durch Durchführung der hierfür erforderlichen Untersuchungen zu beobachten und zu überwachen,
c) Frauen und Familien auf die Geburt, das Wochenbett und die Elternschaft vorzubereiten sowie zur Ernährung, Pflege, Hygiene und Versorgung des Neugeborenen und des Säuglings anzuleiten und zu beraten,
d) belastende Lebenssituationen und psychosoziale Problemlagen bei Frauen und deren Familien zu erkennen und gegebenenfalls auf erforderliche Maßnahmen zur Unterstützung hinzuwirken,
e) über die Untersuchungen aufzuklären, die für eine möglichst frühzeitige Feststellung von Risikoschwangerschaften oder Regelwidrigkeiten und Komplikationen in der Schwangerschaft erforderlich sind,
f) Anzeichen von Regelwidrigkeiten, die eine ärztliche Behandlung erforderlich machen, in der Schwangerschaft, bei der Geburt, während des Wochenbetts und während der Stillzeit zu erkennen und die im jeweiligen Fall angemessenen Maßnahmen für eine ärztliche Behandlung zu ergreifen,
g) Frauen und Familien bei Totgeburten und Fehlgeburten sowie bei Abbrüchen von Schwangerschaften nach der zwölften Schwangerschaftswoche zu betreuen und zu begleiten,
h) während der Geburt Frauen zu betreuen und das ungeborene Kind mit Hilfe geeigneter klinischer und technischer Mittel zu überwachen,
i) physiologisch verlaufende Geburten bei Schädellage durchzuführen,
j) im Dringlichkeitsfall Steißgeburten durchzuführen,
k) die Frau und das Neugeborene fachgerecht in die ärztliche Weiterbehandlung zu übergeben,
l) Hilfe bei ärztlichen Maßnahmen unter Fortsetzung der Hebammenhilfe zu leisten,
m) im Notfall und bei Abwesenheit einer Ärztin oder eines Arztes die medizinisch erforderlichen Maßnahmen, insbesondere die manuelle Ablösung der Plazenta, an die sich gegebenenfalls eine manuelle Nachuntersuchung der Gebärmutter anschließt, einzuleiten und durchzuführen sowie
n) im Notfall die Wiederbelebungsmaßnahmen bei der Frau und dem Neugeborenen durchzuführen,
o) das Neugeborene und die Mutter nach der Geburt und im Wochenbett zu untersuchen, zu pflegen und deren Gesundheitszustand zu überwachen,
p) über Fragen der Familienplanung angemessen aufzuklären und zu beraten,
q) die angewendeten Maßnahmen, den Schwangerschaftsverlauf, die Geburt und das Wochenbett zu dokumentieren,
2. ärztlich angeordnete Maßnahmen eigenständig durchzuführen, insbesondere Maßnahmen der Erstversorgung von Mutter und Neugeborenem nach geburtshilflichen Eingriffen und Operationen,
3. interprofessionell mit anderen Berufsgruppen fachlich zu kommunizieren und effektiv zusammenzuarbeiten und bei der Zusammenarbeit individuelle, multidisziplinäre und berufsübergreifende Lösungen vor allem für regelwidrige Schwangerschafts-, Geburts- und Wochenbettverläufe zu entwickeln und teamorientiert umzusetzen.