GefStoffV

Gefahrstoffverordnung

Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen

Vom 26.11.2010 (BGBl. I S. 1643, 1644)

Zuletzt geändert am 2.12.2024 (BGBl. I S. Nr. 384)

Abschnitt 1
Zielsetzung, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
§ 1Zielsetzung und Anwendungsbereich
Abschnitt 2
Gefahrstoffinformation
§ 3Gefahrenklassen
Abschnitt 3
Gefährdungsbeurteilung und Grundpflichten
§ 6Informationsermittlung und Gefährdungsbeurteilung
Abschnitt 4
Schutzmaßnahmen
§ 8Allgemeine Schutzmaßnahmen
Abschnitt 4a
Anforderungen an die Verwendung von Biozid-Produkten einschließlich der Begasung sowie an Begasungen mit Pflanzenschutzmitteln
§ 15aVerwendungsbeschränkungen
Abschnitt 5
Verbote und Beschränkungen
§ 16Herstellungs- und Verwendungsbeschränkungen
Abschnitt 6
Vollzugsregelungen und Ausschuss für Gefahrstoffe
§ 18Unterrichtung der Behörde
Abschnitt 7
Ordnungswidrigkeiten, Straftaten und Übergangsvorschriften
§ 21Chemikaliengesetz – Anzeigen

§ 7

Grundpflichten

(1) Der Arbeitgeber darf eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen erst aufnehmen lassen, nachdem eine Gefährdungsbeurteilung nach § 6 durchgeführt und die erforderlichen Schutzmaßnahmen nach Abschnitt 4 ergriffen worden sind.

(1a) 1 Der Arbeitgeber hat die Belange des Arbeitsschutzes bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen angemessen in seine betriebliche Organisation einzubinden und die dafür erforderlichen personellen, finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen. 2 Insbesondere hat er dafür zu sorgen, dass bei der Gestaltung der Arbeitsorganisation, des Arbeitsverfahrens und des Arbeitsplatzes sowie bei der Auswahl und Bereitstellung der Arbeitsmittel alle Faktoren ausreichend berücksichtigt werden, die mit der Sicherheit und Gesundheit, einschließlich der psychischen Gesundheit, der Beschäftigten zusammenhängen.

(2) 1 Um die Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten bei allen Tätigkeiten mit Gefahrstoffen zu gewährleisten, hat der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen nach dem Arbeitsschutzgesetz und zusätzlich die nach dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. 2 Dabei hat er die nach § 20 Absatz 4 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen. 3 Bei Einhaltung dieser Regeln und Erkenntnisse ist in der Regel davon auszugehen, dass die Anforderungen dieser Verordnung erfüllt sind. 4 Von diesen Regeln und Erkenntnissen kann abgewichen werden, wenn durch andere Maßnahmen zumindest in vergleichbarer Weise der Schutz der Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten gewährleistet werden.

(3) 1 Der Arbeitgeber hat auf der Grundlage des Ergebnisses der Substitutionsprüfung nach § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 vorrangig eine Substitution durchzuführen. 2 Er hat Gefahrstoffe oder Verfahren durch Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse oder Verfahren zu ersetzen, die unter den jeweiligen Verwendungsbedingungen für die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht oder weniger gefährlich sind.

(4) 1 Der Arbeitgeber hat Gefährdungen der Gesundheit und der Sicherheit der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen auszuschließen. 2 Ist dies nicht möglich, hat er sie auf ein Minimum zu reduzieren. 3 Diesen Geboten hat der Arbeitgeber durch die Festlegung und Anwendung geeigneter Schutzmaßnahmen Rechnung zu tragen. 4 Dabei hat er folgende Rangfolge zu beachten:

1. Gestaltung geeigneter Verfahren und technischer Steuerungseinrichtungen von Verfahren, den Einsatz emissionsfreier oder emissionsarmer Verwendungsformen sowie Verwendung geeigneter Arbeitsmittel und Materialien nach dem Stand der Technik,
2. Anwendung kollektiver Schutzmaßnahmen technischer Art an der Gefahrenquelle, wie angemessene Be- und Entlüftung, und Anwendung geeigneter organisatorischer Maßnahmen,
3. sofern eine Gefährdung nicht durch Maßnahmen nach den Nummern 1 und 2 verhütet werden kann, Anwendung von individuellen Schutzmaßnahmen, die auch die Bereitstellung und Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung umfassen.

(5) 1 Beschäftigte müssen die bereitgestellte persönliche Schutzausrüstung verwenden, solange eine Gefährdung besteht. 2 Die Verwendung von belastender persönlicher Schutzausrüstung darf keine Dauermaßnahme sein. 3 Sie ist für jeden Beschäftigten auf das unbedingt erforderliche Minimum zu beschränken.

(6) Der Arbeitgeber stellt sicher, dass

1. die persönliche Schutzausrüstung an einem dafür vorgesehenen Ort sachgerecht aufbewahrt wird,
2. die persönliche Schutzausrüstung vor Gebrauch geprüft und nach Gebrauch gereinigt wird und
3. schadhafte persönliche Schutzausrüstung vor erneutem Gebrauch ausgebessert oder ausgetauscht wird.

(7) 1 Der Arbeitgeber hat die Funktion und die Wirksamkeit der technischen Schutzmaßnahmen regelmäßig, mindestens jedoch jedes dritte Jahr, zu überprüfen. 2 Das Ergebnis der Prüfungen ist aufzuzeichnen und vorzugsweise zusammen mit der Dokumentation nach § 6 Absatz 8 aufzubewahren.

(8) 1 Der Arbeitgeber stellt sicher, dass folgende Grenzwerte eingehalten werden:

1. Arbeitsplatzgrenzwerte und
2. Grenzwerte in Anhang III der Richtlinie 2004/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch Exposition gegenüber Karzinogenen, Mutagenen oder reproduktionstoxischen Stoffen bei der Arbeit (Sechste Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG des Rates) (kodifizierte Fassung) (ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 50; L 229 vom 29.6.2004, S. 23; L 204 vom 4.8.2007, S. 28), die zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2022/431 vom 9. März 2022 (ABl. L 088 vom 16.3.2022, S. 1) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung und nach Ablauf der in der Richtlinie festgelegten Umsetzungsfrist.
2 Er hat die Einhaltung durch Arbeitsplatzmessungen oder durch andere geeignete Methoden zur Ermittlung der Exposition zu überprüfen. 3 Ermittlungen sind auch durchzuführen, wenn sich die Bedingungen ändern, welche die Exposition der Beschäftigten beeinflussen können. 4 Die Ermittlungsergebnisse sind aufzuzeichnen, aufzubewahren und den Beschäftigten und ihrer Vertretung zugänglich zu machen. 5 Werden Tätigkeiten entsprechend einem verfahrens- und stoffspezifischen Kriterium ausgeübt, das nach § 20 Absatz 4 bekannt gegebenen worden ist, kann der Arbeitgeber in der Regel davon ausgehen, dass die Arbeitsplatzgrenzwerte eingehalten werden; in diesem Fall findet Satz 2 keine Anwendung.

(8a) 1 Kann eine Exposition am Arbeitsplatz anderenfalls nicht ausreichend beurteilt werden, können zum Zweck der Beurteilung der Exposition der Beschäftigten zur Erfüllung der Pflichten nach § 6 Absatz 1 Erkenntnisse aus dem Biomonitoring nach § 6 Absatz 2 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge verwendet werden, sofern solche Erkenntnisse vorliegen. 2 Soweit dies im Einzelfall erforderlich ist, können zu diesem Zweck auch personenbezogene Erkenntnisse verwendet werden. 3 § 22 Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes gilt entsprechend.

(9) Sofern Tätigkeiten mit Gefahrstoffen ausgeübt werden, für die keine Grenzwerte oder Konzentrationen nach § 2 Absatz 8 bis 8b oder § 7 Absatz 8 Satz 1 Nummer 2 vorliegen, hat der Arbeitgeber regelmäßig die Wirksamkeit der ergriffenen technischen Schutzmaßnahmen durch geeignete Ermittlungsmethoden zu überprüfen, zu denen auch Arbeitsplatzmessungen gehören können.

(10) 1 Wer Arbeitsplatzmessungen von Gefahrstoffen durchführt, muss fachkundig sein und über die erforderlichen Einrichtungen verfügen und wer geeignete Methoden zur Ermittlung der Exposition am Arbeitsplatz anwendet, muss ebenfalls fachkundig sein. 2 Wenn ein Arbeitgeber eine für Messungen von Gefahrstoffen an Arbeitsplätzen akkreditierte Messstelle beauftragt, kann der Arbeitgeber in der Regel davon ausgehen, dass die von dieser Messstelle gewonnenen Erkenntnisse zutreffend sind.

(11) Der Arbeitgeber hat bei allen Ermittlungen und Messungen die nach § 20 Absatz 4 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen.

Abschnitt 4
Schutzmaßnahmen

§ 8

Allgemeine Schutzmaßnahmen

(1) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen die folgenden Schutzmaßnahmen zu ergreifen:

1. geeignete Gestaltung des Arbeitsplatzes und geeignete Arbeitsorganisation,
2. Bereitstellung geeigneter Arbeitsmittel für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und geeignete Wartungsverfahren zur Gewährleistung der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit,
3. Begrenzung der Anzahl der Beschäftigten, die gegenüber Gefahrstoffen exponiert sind oder exponiert sein können,
4. Begrenzung der Dauer und der Höhe der Exposition,
5. angemessene Hygienemaßnahmen, insbesondere zur Vermeidung von Kontaminationen, und die regelmäßige Reinigung des Arbeitsplatzes,
6. Begrenzung der am Arbeitsplatz vorhandenen Gefahrstoffe auf die Menge, die für den Fortgang der Tätigkeiten erforderlich ist,
7. geeignete Arbeitsmethoden und Verfahren, welche die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigen oder die Gefährdung so gering wie möglich halten, einschließlich Vorkehrungen für die sichere Handhabung, Lagerung und Beförderung von Gefahrstoffen und von Abfällen, die Gefahrstoffe enthalten, am Arbeitsplatz.

(2) 1 Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass

1. alle verwendeten Stoffe und Gemische identifizierbar sind,
2. gefährliche Stoffe und Gemische innerbetrieblich mit einer Kennzeichnung versehen sind, die ausreichende Informationen über die Einstufung, über die Gefahren bei der Handhabung und über die zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen enthält; vorzugsweise ist eine Kennzeichnung zu wählen, die der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 entspricht,
3. Apparaturen und Rohrleitungen so gekennzeichnet sind, dass mindestens die enthaltenen Gefahrstoffe sowie die davon ausgehenden Gefahren eindeutig identifizierbar sind.
2 Kennzeichnungspflichten nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt. 3 Solange der Arbeitgeber den Verpflichtungen nach Satz 1 nicht nachgekommen ist, darf er Tätigkeiten mit den dort genannten Stoffen und Gemischen nicht ausüben lassen. 4 Satz 1 Nummer 2 gilt nicht für Stoffe, die für Forschungs- und Entwicklungszwecke oder für wissenschaftliche Lehrzwecke neu hergestellt worden sind und noch nicht geprüft werden konnten. 5 Eine Exposition der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit diesen Stoffen ist zu vermeiden.

(3) 1 Der Arbeitgeber hat gemäß den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 sicherzustellen, dass die Beschäftigten in Arbeitsbereichen, in denen sie gegenüber Gefahrstoffen exponiert sein können, keine Nahrungs- oder Genussmittel zu sich nehmen. 2 Der Arbeitgeber hat hierfür vor Aufnahme der Tätigkeiten geeignete Bereiche einzurichten.

(4) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass durch Verwendung verschließbarer Behälter eine sichere Lagerung, Handhabung und Beförderung von Gefahrstoffen auch bei der Abfallentsorgung gewährleistet ist.

(5) 1 Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe so aufbewahrt oder gelagert werden, dass sie weder die menschliche Gesundheit noch die Umwelt gefährden. 2 Er hat dabei wirksame Vorkehrungen zu treffen, um Missbrauch oder Fehlgebrauch zu verhindern. 3 Insbesondere dürfen Gefahrstoffe nicht in solchen Behältern aufbewahrt oder gelagert werden, durch deren Form oder Bezeichnung der Inhalt mit Lebensmitteln verwechselt werden kann. 4 Sie dürfen nur übersichtlich geordnet und nicht in unmittelbarer Nähe von Arznei-, Lebens- oder Futtermitteln, einschließlich deren Zusatzstoffe, aufbewahrt oder gelagert werden. 5 Bei der Aufbewahrung zur Abgabe oder zur sofortigen Verwendung muss eine Kennzeichnung nach Absatz 2 deutlich sichtbar und lesbar angebracht sein.

(6) Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe, die nicht mehr benötigt werden, und entleerte Behälter, die noch Reste von Gefahrstoffen enthalten können, sicher gehandhabt, vom Arbeitsplatz entfernt und sachgerecht gelagert oder entsorgt werden.

(7) 1 Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3 eingestuft sind, unter Verschluss oder so aufbewahrt oder gelagert werden, dass nur zuverlässige Personen Zugang haben, die fachkundig oder entsprechend tätigkeitsbezogen unterwiesen sind. 2 Tätigkeiten mit diesen Stoffen und Gemischen dürfen nur von fachkundigen oder entsprechend tätigkeitsbezogen unterwiesenen Personen ausgeführt werden. 3 Satz 2 gilt auch für Tätigkeiten mit Stoffen und Gemischen, die als atemwegssensibilisierend eingestuft sind. 4 Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Kraftstoffe an Tankstellen oder sonstigen Betankungseinrichtungen sowie für Stoffe und Gemische, die als akut toxisch Kategorie 3 eingestuft sind, sofern diese vormals nach der Richtlinie 67/548/EWG oder der Richtlinie 1999/45/EG als gesundheitsschädlich bewertet wurden. 5 Hinsichtlich der Bewertung als gesundheitsschädlich sind die entsprechenden nach § 20 Absatz 4 Nummer 1 bekannt gegebenen Erkenntnisse zu berücksichtigen.

(8) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen nach Anhang I Nummer 2 bis 5 sowohl die §§ 6 bis 18 als auch die betreffenden Vorschriften des Anhangs I Nummer 2 bis 5 zu beachten.

§ 9

Zusätzliche Schutzmaßnahmen

(1) 1 Sind die allgemeinen Schutzmaßnahmen nach § 8 nicht ausreichend, um Gefährdungen durch Einatmen, Aufnahme über die Haut oder Verschlucken entgegenzuwirken, hat der Arbeitgeber zusätzlich diejenigen Maßnahmen nach den Absätzen 2 bis 7 zu ergreifen, die auf Grund der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 erforderlich sind. 2 Dies gilt insbesondere, wenn

1. Arbeitsplatzgrenzwerte oder biologische Grenzwerte überschritten werden,
2. bei hautresorptiven oder haut- oder augenschädigenden Gefahrstoffen eine Gefährdung durch Haut- oder Augenkontakt besteht oder
3. bei Gefahrstoffen ohne Arbeitsplatzgrenzwert und ohne biologischen Grenzwert eine Gefährdung auf Grund der ihnen zugeordneten Gefahrenklasse nach § 3 und der inhalativen Exposition angenommen werden kann.

(2) 1 Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass Gefahrstoffe in einem geschlossenen System hergestellt und verwendet werden, wenn

1. die Substitution der Gefahrstoffe nach § 7 Absatz 3 durch solche Stoffe, Gemische, Erzeugnisse oder Verfahren, die bei ihrer Verwendung nicht oder weniger gefährlich für die Gesundheit und Sicherheit sind, technisch nicht möglich ist und
2. eine erhöhte Gefährdung der Beschäftigten durch inhalative Exposition gegenüber diesen Gefahrstoffen besteht.
2 Ist die Anwendung eines geschlossenen Systems technisch nicht möglich, so hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass die Exposition der Beschäftigten nach dem Stand der Technik und unter Beachtung von § 7 Absatz 4 so weit wie möglich verringert wird.

(3) 1 Bei Überschreitung eines Arbeitsplatzgrenzwerts muss der Arbeitgeber unverzüglich die Gefährdungsbeurteilung nach § 6 erneut durchführen und geeignete zusätzliche Schutzmaßnahmen ergreifen, um den Arbeitsplatzgrenzwert einzuhalten. 2 Wird trotz Ausschöpfung aller technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen der Arbeitsplatzgrenzwert nicht eingehalten, hat der Arbeitgeber unverzüglich persönliche Schutzausrüstung bereitzustellen. 3 Dies gilt insbesondere für Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten.

(4) Besteht trotz Ausschöpfung aller technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen bei hautresorptiven, haut- oder augenschädigenden Gefahrstoffen eine Gefährdung durch Haut- oder Augenkontakt, hat der Arbeitgeber unverzüglich persönliche Schutzausrüstung bereitzustellen.

(5) 1 Der Arbeitgeber hat getrennte Aufbewahrungsmöglichkeiten für die Arbeits- oder Schutzkleidung einerseits und die Straßenkleidung andererseits zur Verfügung zu stellen. 2 Der Arbeitgeber hat die durch Gefahrstoffe verunreinigte Arbeitskleidung zu reinigen.

(6) Der Arbeitgeber hat geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die gewährleisten, dass Arbeitsbereiche, in denen eine erhöhte Gefährdung der Beschäftigten besteht, nur den Beschäftigten zugänglich sind, die sie zur Ausübung ihrer Arbeit oder zur Durchführung bestimmter Aufgaben betreten müssen.

(7) 1 Wenn Tätigkeiten mit Gefahrstoffen von einer oder einem Beschäftigten allein ausgeübt werden, hat der Arbeitgeber zusätzliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen oder eine angemessene Aufsicht zu gewährleisten. 2 Dies kann auch durch den Einsatz technischer Mittel sichergestellt werden.

§ 10

Besondere Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B

(1) 1 Der Arbeitgeber hat sicherzustellen, dass krebserzeugende, keimzellmutagene oder reproduktionstoxische Gefahrstoffe der Kategorie 1A oder 1B in einem geschlossenen System hergestellt und verwendet werden, wenn eine Substitution der Gefahrstoffe technisch nicht möglich ist. 2 Ist die Anwendung eines geschlossenen Systems technisch nicht möglich, hat der Arbeitgeber die Exposition der Beschäftigten nach dem Stand der Technik zu minimieren. 3 Dabei hat er die Absätze 2 bis 6 zu beachten. 4 Schutzmaßnahmen sind dabei umso dringlicher zu ergreifen, je höher die Exposition der Beschäftigten ist. 5 Die Herstellungs- und Verwendungsbeschränkungen nach Anhang II Nummer 6 sind zu beachten. 6 Für Tätigkeiten mit Asbest gelten die speziellen Anforderungen nach § 11a in Verbindung mit Anhang I Nummer 3.

(2) 1 Der Arbeitgeber hat

1. die Exposition der Beschäftigten durch Arbeitsplatzmessungen oder durch andere geeignete Ermittlungsmethoden zu bestimmen, auch um erhöhte Expositionen infolge eines unvorhersehbaren Ereignisses oder eines Unfalls schnell erkennen zu können,
2. die Arbeitsbereiche abzugrenzen, in denen Beschäftigte gegenüber diesen Gefahrstoffen exponiert werden oder exponiert werden können, und die erforderlichen Sicherheitszeichen einschließlich der Verbotszeichen „Zutritt für Unbefugte verboten“ und „Rauchen verboten“ anzubringen; dabei richtet sich die Auswahl der Sicherheitskennzeichnung nach Anhang II Nummer 3.1 der Richtlinie 92/58/EWG des Rates vom 24. Juni 1992 über Mindestvorschriften für die Sicherheits- und/oder Gesundheitsschutzkennzeichnung am Arbeitsplatz (Neunte Einzelrichtlinie im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 245 vom 26.8.1992, S. 23), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/1243 (ABl. L 198 vom 25.7.2017, S. 241) geändert worden ist,
3. sicherzustellen, dass die nach Nummer 2 gekennzeichneten Arbeitsbereiche nur den Beschäftigten zugänglich sind, die sie zur Ausübung ihrer Arbeit oder zur Durchführung bestimmter Aufgaben betreten müssen,
4. sicherzustellen, dass die Beschäftigten nach Nummer 3 fachkundig oder entsprechend tätigkeitsbezogen unterwiesen sind,
5. sicherzustellen, dass die in einem nach Nummer 2 gekennzeichneten Arbeitsbereich abgesaugte Luft nicht in den Arbeitsbereich zurückgeführt wird.
2 Satz 1 Nummer 2 und 4 gilt nicht für Tätigkeiten, für die nach § 20 Absatz 4 ein Arbeitsplatzgrenzwert bekannt gegeben wurde, wenn dieser Wert eingehalten wird. 3 Satz 1 Nummer 5 gilt nicht, wenn die abgesaugte Luft unter Berücksichtigung der nach § 20 Absatz 4 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse sowie unter Anwendung von behördlich oder von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannten Verfahren oder Geräten ausreichend von solchen Gefahrstoffen gereinigt ist und die Luft dabei so geführt oder gereinigt wird, dass die Gefahrstoffe nicht in die Atemluft von Beschäftigten in anderen Arbeitsbereichen gelangen.

(3) 1 Kann der Arbeitsplatzgrenzwert oder der Grenzwert nach § 7 Absatz 8 Satz 1 Nummer 2 nicht eingehalten werden oder liegen Tätigkeiten im Bereich mittleren Risikos vor oder ist bei Gefahrstoffen ohne Arbeitsplatzgrenzwert, Akzeptanzkonzentration oder Grenzwert nach § 7 Absatz 8 Satz 1 Nummer 2 die Exposition der Beschäftigten wesentlich erhöht, so hat der Arbeitgeber

1. die Expositionsdauer der Beschäftigten so weit wie möglich zu verkürzen und
2. den Beschäftigten geeigneten Atemschutz zur Verfügung zu stellen.
2 Der Arbeitgeber hat bei der Festlegung dieser Maßnahmen die Beschäftigten oder deren Vertretung in geeigneter Form zu beteiligen.

(4) 1 Der Arbeitgeber hat im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 festzulegen, bei welchen Tätigkeiten Beschäftigte persönliche Schutzausrüstung tragen müssen. 2 Dies ist insbesondere der Fall

1. bei Überschreitung des Arbeitsplatzgrenzwerts oder bei Tätigkeiten im Bereich hohen Risikos,
2. bei einer wesentlich erhöhten Exposition gegenüber Gefahrstoffen ohne Arbeitsplatzgrenzwert oder Toleranzkonzentration oder
3. bei Tätigkeiten im Bereich mittleren Risikos beim Auftreten von Expositionsspitzen.

(5) 1 Kann bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B trotz Ausschöpfung der technischen Schutzmaßnahmen der Arbeitsplatzgrenzwert nicht eingehalten werden oder werden Tätigkeiten im Bereich mittleren Risikos ausgeübt, hat der Arbeitgeber unverzüglich einen Maßnahmenplan zu erstellen. 2 In dem Maßnahmenplan ist darzulegen, wie das Ziel erreicht werden soll, den Arbeitsplatzgrenzwert einzuhalten oder in den Bereich niedrigen Risikos zu gelangen. 3 Dabei sind aufzuführen:

1. die vorgesehenen Maßnahmen,
2. die angestrebte Expositionsminderung sowie
3. der geplante Zeitrahmen.
4 Der Maßnahmenplan ist zusammen mit der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung nach § 6 Absatz 8 aufzubewahren.

(6) Kann auch bei Umsetzung des Maßnahmenplans nach Absatz 5 bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B der Arbeitsplatzgrenzwert nicht eingehalten werden oder werden Tätigkeiten im Bereich hohen Risikos ausgeübt, hat der Arbeitgeber sicherzustellen, dass diese Tätigkeiten nur nach einer nach § 20 Absatz 4 bekannt gegebenen Regel ausgeübt werden.

§ 10a

Besondere Aufzeichnungs-, Mitteilungs- und Unterrichtungspflichten bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B

(1) 1 Um im Falle einer späteren Erkrankung die Höhe und die Dauer einer Exposition nachvollziehen zu können, hat der Arbeitgeber ein Verzeichnis über die Beschäftigten zu führen, die solche Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B ausüben, bei denen die Gefährdungsbeurteilung eine Gefährdung ihrer Gesundheit ergibt. 2 In dem Verzeichnis sind die Tätigkeit sowie die Höhe und die Dauer der Exposition der Beschäftigten anzugeben. 3 § 22 Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes gilt entsprechend.

(2) 1 Das Verzeichnis ist während der Dauer der Exposition stets aktuell zu halten und für mindestens folgende Zeiträume nach Ende der Exposition aufzubewahren:

1. bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B 40 Jahre oder
2. bei Tätigkeiten mit reproduktionstoxischen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B fünf Jahre.
2 Bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses hat der Arbeitgeber den Beschäftigten einen Auszug aus dem Verzeichnis auszuhändigen, der die sie betreffenden Angaben enthält. 3 Der Arbeitgeber hat einen Nachweis über die Aushändigung wie Personalunterlagen aufzubewahren.

(3) Der Arbeitgeber kann seinen Pflichten nach Absatz 2 auch dadurch nachkommen, dass er die in Absatz 1 Satz 2 genannten Daten an den für den Beschäftigten zuständigen Unfallversicherungsträger oder einen Verband der Unfallversicherungsträger übermittelt.

(4) Der Arbeitgeber hat den Zugang zu den Daten des Verzeichnisses nach Absatz 1 zu ermöglichen

1. der Ärztin oder dem Arzt nach § 7 Absatz 1 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge zur Erfüllung der Pflichten nach § 6 der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge sowie der zuständigen Behörde zum Zweck der Überwachung,
2. den betroffenen Beschäftigten, soweit die Daten sie betreffen,
3. der Vertretung der Beschäftigten, soweit es sich um nicht personenbezogene Daten handelt.

(5) 1 Der Arbeitgeber hat der zuständigen Behörde Tätigkeiten mit krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B, bei denen der Arbeitsplatzgrenzwert nicht eingehalten wird oder die im Bereich hohen Risikos ausgeübt werden, unter Angabe der ermittelten Exposition schriftlich oder elektronisch innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit mitzuteilen. 2 Der Mitteilung ist ein Maßnahmenplan nach § 10 Absatz 5 beizufügen. 3 Die Behörde kann verlangen, dass ihr die Mitteilung elektronisch übermittelt wird, wenn sie hierfür ein Format zur Verfügung stellt. 4 Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht für Tätigkeiten mit Asbest, die nach § 11a Absatz 4 in Verbindung mit Anhang I Nummer 3.5 Absatz 3 Nummer 2 angezeigt wurden.

(6) Der Arbeitgeber hat bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden, keimzellmutagenen oder reproduktionstoxischen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B sicherzustellen, dass

1. die Beschäftigten und ihre Vertretung nachprüfen können, ob die Bestimmungen dieser Verordnung eingehalten werden, insbesondere in Bezug auf
a) durchzuführende Maßnahmen nach § 10 Absatz 4,
b) die Auswahl und Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung und die damit verbundenen Belastungen der Beschäftigten,
2. die Beschäftigten und ihre Vertretung bei einer unvorhergesehenen Exposition oder bei einem Unfall unverzüglich unterrichtet und über die Ursachen sowie über die bereits ergriffenen oder noch zu ergreifenden Maßnahmen informiert werden.

§ 11

Verwendungs- und Tätigkeitsbeschränkungen für Asbest

(1) 1 Verboten sind:

1. die Gewinnung, Aufbereitung, Weiterverarbeitung und Wiederverwendung natürlich vorkommender mineralischer Rohstoffe und daraus hergestellter Gemische und Erzeugnisse mit einem Asbest-Massengehalt von mehr als 0,1 Prozent,
2. die weitere Verwendung asbesthaltiger Materialien, denen Asbest absichtlich zugesetzt wurde und die bei Tätigkeiten anfallen, zu anderen Zwecken als der Abfallbehandlung oder Abfallentsorgung, und
3. Tätigkeiten an asbesthaltigen Materialien in oder an baulichen oder technischen Anlagen, einschließlich Geräten, Maschinen, Fahrzeugen und sonstigen Erzeugnissen.
2 Die in § 17 Absatz 1 genannten Ausnahmen von Beschränkungen und die Regelungen des Abfallrechts bleiben unberührt.

(2) Ausgenommen von den Verboten sind:

1. das vollständige Entfernen asbesthaltiger Bauteile oder Materialien aus baulichen oder technischen Anlagen, einschließlich Geräten, Maschinen, Fahrzeugen und sonstigen Erzeugnissen sowie von Teilflächen oder aus Teilbereichen dieser Anlagen, einschließlich Geräten, Maschinen, Fahrzeugen und sonstigen Erzeugnissen (Abbrucharbeiten),
2. folgende Sanierungsarbeiten:
a) Maßnahmen zur Vermeidung von Gefährdungen der Nutzer von Gebäuden durch asbesthaltige Stäube mittels räumlicher Trennung des asbesthaltigen Materials, sofern ein vollständiges Entfernen aus technischen Gründen nicht möglich ist, und
b) Sofortmaßnahmen zur vorläufigen Sicherung beschädigter asbesthaltiger Bauteile oder Materialien, sofern ein vollständiges Entfernen nicht sofort möglich ist, aber unverzüglich eingeleitet wird,
3. folgende Instandhaltungsarbeiten:
a) die Wartung und Inspektion asbesthaltiger Bauteile oder Materialien in oder an baulichen oder technischen Anlagen, einschließlich Geräten, Maschinen, Fahrzeugen und sonstigen Erzeugnissen sowie
b) Tätigkeiten zur funktionalen Instandhaltung baulicher Anlagen, die im Rahmen der laufenden Nutzung erforderlich sind, soweit mit diesen Tätigkeiten keine Instandsetzung asbesthaltiger Materialien verbunden ist; die funktionale Instandhaltung erfasst auch die Anpassung an den Stand der Bautechnik; dies umfasst auch Maßnahmen zur energetischen Sanierung,
4. Tätigkeiten, die im Rahmen von Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten als vorbereitende, begleitende oder abschließende Tätigkeiten erforderlich sind oder
5. Tätigkeiten zu Forschungs-, Entwicklungs-, Analyse-, Mess- und Prüfzwecken.

(3) Die Ausnahmen nach Absatz 2 gelten nicht für

1. feste Überdeckung oder Überbauung oder Aufständerung an Asbestzementdächern, Asbestzement-Wand- und Deckenverkleidungen, asbesthaltigen Bodenbelägen und
2. Reinigungs- und Beschichtungsarbeiten an nicht vollflächig beschichteten Asbestzementdächern und Außenwandverkleidungen aus Asbestzement.

(4) Die räumliche Trennung nach Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a ist nur zulässig, wenn sie nach den in § 20 Absatz 4 Nummer 1 bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnissen gekennzeichnet wird und wenn dokumentiert wird, in oder an welchem Bauteil asbesthaltige Materialien verbleiben.

(5) Instandhaltungsarbeiten nach Absatz 2 Nummer 3 sind nur zulässig, wenn

1. keine Tätigkeiten im Bereich hohen Risikos ausgeübt werden,
2. das Ende der Nutzungsdauer des asbesthaltigen Materials nicht erreicht ist; dies ist der Fall, wenn das asbesthaltige Material seine ursprüngliche Funktion noch erfüllt,
3. das Vorhandensein asbesthaltiger Materialien nicht in einer Form kaschiert wird, die ein späteres Erkennen verhindern oder erheblich erschweren würde, und
4. ein späteres vollständiges Entfernen des asbesthaltigen Materials durch die Tätigkeit nicht erheblich erschwert wird.

(6) Die Möglichkeit einer Ausnahme nach § 19 Absatz 1 gilt nicht für Tätigkeiten nach Absatz 1 Nummer 1 und 2 sowie nach Absatz 3.

(7) 1 Die Absätze 1 bis 5 gelten auch für private Haushalte. 2 Führen private Haushalte die nach den Absätzen 1 bis 5 zulässigen Tätigkeiten durch, so sind sie verpflichtet, die Entstehung, Freisetzung und Ausbreitung von Asbestfasern und von potenziell asbestfaserhaltigem Staub so weit wie möglich zu verhindern und im Übrigen zu minimieren.

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